Die Krise als Chance

Die Krise als Chance

Die Krise zur Chance machen? Das ist in der aktuellen Zeit oft leichter gesagt als getan.
Mit Mut zum Risiko und dem richtigen Näschen kann es aber gelingen. Ein Personal­vermittlungs­unternehmen in Remshalden macht es vor.
(Artikel aus dem FELLBACHER WOCHENBLATT vom 21.07.2021)

Zahlen lügen nicht. Als der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen iGZ im Januar 2021 die Daten für das abgelaufene Pandemie-Jahr vorlegte, zeichnete er ein eher düsteres Bild seiner Branche, die er gar in der „Corona-Zange“ gefangen sah. 72,6 Prozent der befragten und teilnehmenden Unternehmen vermeldeten einen Auftragsrückgang, die 25 Branchenriesen mussten ein Minus von 16,4 Prozent verbuchen – und damit den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise 2009. Auch im Jahr 2020 zeigte sich abermals, dass die Umsatzentwicklung von Zeitarbeitsfirmen als ein Lackmustest für die gesamte Wirtschaft herhalten kann beziehungsweise muss. Aufgrund ihrer Funktion als Flexibilitätspuffer bekommen sie meist als erste den Beschäftigungsrückgang zu spüren, so auch in der durch Corona ausgelösten Krise des letzten Jahres. Vor allem die Automobilbranche fragte deutlich weniger Personalleasing nach.

Was aber tun, wenn man als Geschäftsführer einer regional tätigen Zeitarbeits- und Direktvermittlungsagentur genau von dieser Branche abhängig ist? Vor dieser Frage stand Ramon Werner aus Remshalden, wo sein Unternehmen MCG Stuttgart beheimatet ist. Das Unternehmen hatte sich bei seiner Gründung 2011 auf die Fahnen geschrieben, als Partner von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern zu agieren. Man wolle für die „artgerechte Haltung von Ingenieuren“ sorgen, wie es Werner anschaulich formuliert. Das heißt, in einer Sparte wie Automotive, in der der Fachkräftemangel immer deutlicher wird, möchte MCG nicht nur Entwickler überlassen und vermitteln, sondern auch professionelle Projektmanager, die die Entwickler entlasten, wo es nur geht. Diese können sich dann wieder verstärkt ihrer Kernkompetenz widmen.

Das Geschäftsmodell als „verlängerte Werkbank des Mittelstands“ funktionierte, namhafte Unternehmen aus der gesamten Region Mittlerer Neckar schätzten das zielgenaue Recruiting, und Fachkräfte die Flexibilität und zugleich die Option, nach einer gewissen Zeit auch fest bei den Arbeitgebern anzuheuern, ohne dass ihnen MCG hierbei Steine in den Weg legte. Bis Corona kam. Und ein Einbruch, den Werner so noch nicht erlebt hatte. Innerhalb kürzester Zeit schrumpfte sein Personal, im Juli 2020 waren es gerade noch neun Beschäftigte, davon allein fünf in der Agentur selbst – eine existenzbedrohliche Situation für ein kleines mittelständisches Unternehmen, das in eine ungewisse Zukunft blickte. Werner: „Ich hatte die Wahl. Entweder ich mache den Laden für eineinhalb Jahre dicht und hoffe, dass nach dieser Zeit meine Partner noch mit an Bord sind, oder ich riskiere den Umbruch.“ Der 50-jährige Familienvater entschied sich für Letzteres. Werner investierte, holte neue Manpower ins Unternehmen und erschloss sich neue Aufgabenfelder. Seit Ende des letzten Jahres nun konzentriert sich MCG neben Automotive auch auf Facility Management und das Gesundheitswesen, das nicht nur aufgrund von Corona für Zeitarbeitsfirmen ein Wachstumsmarkt ist. In beiden Bereichen, so Werner, könne sein Team mehr Beschäftigte vermitteln, als ihm zur Verfügung stehe. Qualifizierte Fachkräfte sind heiß begehrt, ob nun Elektriker oder Anlagemechaniker, Intensivpflegekräfte oder Krankenschwestern. Selbst in der Automotive-Branche zog die Nachfrage zuletzt spürbar an.

So wurde die Krise zur Chance für MCG. Im Frühjahr platzten die alten Büroräumlichkeiten im Remshaldener Ortsteil Grunbach aus allen Nähten, der Umzug in ein altes Fachwerkhaus im benachbarten Geradstetten zum zehnjährigen Firmenjubiläum war die logische Konsequenz. Und gar eine Dependance in Offenbach wurde inzwischen gegründet. Wenn Werner bald – hoffentlich ohne Covid-Beschränkungen – zum geplanten Sommerfest laden kann, blickt er also auf erfolgreiche zwölf Monate zurück, die selbst der Optimist Werner so nicht erwartet hatte. Zuletzt beschäftigte er knapp 50 Menschen, Tendenz steigend. Zahlen lügen eben nicht.

Geschäftsführer Ramon Werner (Zweiter von rechts) und sein Team, Foto: z/ Denis Klinar
Geschäftsführer Ramon Werner (Zweiter von rechts) und sein Team, Foto: z/ Denis Klinar

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